Samstag, 16. Januar 2010

Ein Tag voller Eindrücke

 

Hallo liebe Leute!

Heute war für mich ein ganz besonderer Tag. Gestern kam ich zurück vom Wochenendseminar in Jerusalem, wo wir ein für Freikirchler eher unbekanntes Thema hatten: Die Ostkirchen.

Das Seminar war wirklich für alle Beteiligten super interessant und wir hatten, obwohl wir viele Themenblöcke hatten, auch sehr viel Spaß miteinander.044

Kurz nach dem Seminar kam es zum ersten Treffen der frisch gegründet Acapella-Boyband der Hagoshrim-Volontäre, bei der ich die Bassstimme übernommen habe. Als erste Aufgabe haben wir uns ein 5-stimmiges Arrangement von “Mad World” gestellt. Die erste Probe war wirklich super!037

Während dieser Zeit entschied sich Rahel dagegen nach Hause zu fahren und stattdessen ein paar Tage in Jerusalem in unserer WG zu verbringen und da ich heute frei hatte, planten wir heute zusammen etwas zu unternehmen. So entschieden wir uns durch das Wadi Qelt zu wandern, dass sich von Süd-Jerusalem bis nach Jericho erstreckt. So besuchten wir heute dieses Wadi und ich muss sagen diese Tour war wirklich beeindruckend!

Da der Busfahrer uns auf dem Weg falsch absetzte, mussten wir am Anfang querfeldein durch die Wüstenlandschaft laufen und einen Eingang zum Wadi finden. Das war schon richtig beeindruckend, da ich auch noch 8 Kilo auf dem Rücken hatte, da ich Kleidung sowie Essen und Trinken (!) für uns trug. Durch dieses Gepäck war mein Gleichgewicht nicht immer optimal, was sich vor Allem bei extrem steilen Abschnitten bemerkbar machte.

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Im Wadi angekommen, war es atemberaubend die Natur und das Wetter im Januar in Israel genießen zu können. Wir hatten 25°C und konnten somit in Sommerkleidung durch das Wadi wandern. Der Weg schlängelte sich anfangs an einem Bach entlang, der aber nach 2 Stunden Wanderung versiegte.

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Urplötzlich veränderte sich die Landschaft und so kamen wir von der grünen mit Bambus und anderen Feuchtpflanzen bewachsenen Oase, in die absolut karge Steinwüste, gespickt mit ein paar dekorativ in der Landschaft stehenden, grünen Bäumen. Dieser Landschaftswechsel stellte mir noch einmal so klar vor Augen, wir wertvoll Wasser gerade in diesen Regionen ist und wie wenig Israel zur Zeit hat – man schaue sich den Jordan an.

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Insgesamt verbrachten Rahel und ich knappe 5 Stunden wandernd im Wadi, bis wir wieder eine Siedlung und somit eine Bushaltestelle erreichten.

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Zu Hause angekommen blieb nur kurz Zeit zum duschen und dann machten sich Phil und ich schon auf den Weg zum Chor der Erlöserkirche, wo wir nun einsteigen wollen. Allerdings mussten wir dort feststellen, dass die heutige Probe abgesagt wurde.

Also machten wir noch einen Abstecher an die Klagemauer und aßen auf der Ben Jehuda zu Abend. Eigentlich wollte mir Phil nach dem Abendessen nur kurz einen interessanten Laden zeigen, den er neulich entdeckt hat. Von einem geplanten kurzen Besuch in dem Laden, wurde allerdings eine lange Unterhaltung über Krieg, Hass, Zerstörung und Leid. Davon möchte ich an dieser Stelle noch kurz berichten…

In dem Laden, den Phil mir zeigen wollte, gab es knifflige Holzspielereien und sofort machten wir uns an das ein oder andere Spielzeug heran. Da wir die Rätsel nicht lösen konnten, sprach ich den einzigen Mitarbeiter an, den ich hier einfach Yossi nennen möchte. Yossi war nur ein paar Jahre älter als wir und aus irgendwelchen Gründen fingen wir an, uns zu unterhalten. Wir kamen darauf zu sprechen, dass er für ein Jahr in Deutschland war und dass einige deutsche Firmen ihre Mitarbeiter nach Israel zur Schulung schicken, damit sie lernen, wie man verkauft… “Yes, we know how to sell…” – Im Gegensatz zu den Arabern in der Altstadt!

Damit war der entscheidende Stein ins Rollen gebracht worden…

Yossi sprach über die Verkaufsstrategie der Araber und meinte in diesem Atemzug, dass sie doch alle Betrüger seien. Wir lachten aus eigener Erfahrung. Allerdings schien sich Yossi in die Thematik der Araber hineinzusteigern und fing an darüber zu philosophieren, dass ausnahmslos ALLE ARABER Betrüger seien, dass man es ihnen ansähe, dass ALLE den inneren Wunsch hegen mit ihrer Kultur und Religion die gesamte Welt zu beherrschen und keiner etwas dagegen unternähme. Er zog einen Vergleich heran, der mich schockierte:

“When Hitler rose, nobody did something against it and they realised the situation, when it was already too late. Basicly it’s the same situation now. It doesen’t help when the Europeans sanction the Iran in economic ways. Hitler killed the Jews. That was definitly wrong. But, I think you should do the same with the Arabs now. They really deserve it!”

Phil und ich standen da, sahen uns an und hatten das Gefühl in einem absolut falschen Film zu sein. Uns war klar, dass irgendetwas mit Yossi los war. Warum um Himmelswillen war er so wütend auf die Araber und ließ auch kein einziges gutes Haar an Ihnen?

Im Laufe des Gesprächs wurde uns dann so einiges klar. Es stellte sich raus, dass Yossi während seiner Wehrdienstzeit (die hier in Israel übrigens 3 Jahre verpflichtend ist) im Libanon im Einsatz war. Er erzählte uns, dass er in der Bodentruppe im Einsatz war, somit gehörte es zu der Aufgabe der Einheit, der er angehörte, Häuser einzunehmen, in denen sich nach israelischen Informationen Terroristen versteckten. Er erzählte uns einige Geschichten, die er dort erlebte und diese möchte ich Euch auch erzählen, um Euch an diesen Schicksälen teilhaben zu lassen.

  • Er musste mit seiner Einheit ein Haus stürmen, in dem sich laut Informationen der israelischen Armee Terroristen befanden. Ein guter Freund ging als erster ins Haus. Yossi sollte derweil um das Haus gehen und den Hinterausgang absichern, damit niemand fliehen konnte. Von seinen anderen Kameraden wurde im hinterher folgendes berichtet: Sein Freund ging ins Haus und vor ihm stand eine arabische, 50 jährige Frau. Eine Zivilistin. In diesem Moment, ging die Frau auf ihn zu, wollte ihn umarmen, sagte „Allah Akbah“ und schon im nächsten Moment klebte der israelische Soldat in vielen, kleinen Teilen an der Decke und auf dem Boden des Hauses. Yossi musste sich seinen Freund auch noch anschauen, da sein Befehl hieß, das Haus abzusichern…

 „Kill all Arabs. Kill all of them! It does not matter, if it’s a civilest or a terrorist, all Arabs are the same! You just see it in their face!”

  • Er musste mit seiner Einheit ein Haus stürmen und sichern. Nach der Sicherung kamen sie ins Feuer der Araber, die das Haus wieder zurückerobern wollten. Durch Missverständnisse waren andere israelische Einheiten der Meinung in dem Haus seien noch Terroristen und begannen es auch zu bombardieren. Ein zwei Frontenkrieg, wo auch die modernste Kommunikationstechnik versagte und Yossi sich so fürchtete, dass er aus Angst für eine Nacht zum Bettnässer wurde.
  • Seine Einheit bekam den Befehl durch ein Tal zum nächsten Einsatzort zu ziehen. Yossi weigerte sich dem Befehl nachzukommen, da er gesehen hatte, wie die Araber auf den umliegenden Bergen ihre Zelte aufgeschlagen hatten und sie somit leichte Beute für sie waren. Schließlich gab der Kommandant der Einheit nach und sie zogen nicht – dafür aber eine andere Einheit. 20% überlebten. Wegen seiner Weigerung musste Yossi nach seinem Militärdienst für einen Monat ins Militärgefängnis.
  • Seine Einheit musste ein Haus einnehmen und sichern. Nachdem sie innen alles abgesucht hatten, stellt Yossi fest, dass ein Mann versuchte über das Dach zu fliehen. Er wusste nicht, ob er Zivilist oder Terrorist ist. Er rief ihm zu, stehen zu bleiben, ansonsten müsse er schießen. Der Mann ließ ihm keine Wahl. 3 Schuss, dann fiel er um.

„You don’t go there afterwards, to look whether he is alive or not. You just leave him there. You don’t want to see him, after the bullet hit his head. These pictures are very deep in your head, like somebody cut this incident in your brain with a knife.”

  • Ein guter Freund von Yossi musste mit einem schwer bewaffneten Auto in ein umkämpftes Gebiet fahren, um den Weg für die Bodentruppen frei zu machen. Er reckte den Kopf nur kurz aus dem Auto, um mit dem Feldstecher besser sehen zu können, da traf ihn schon eine Kugel im Kopf. Yossi sah den Einschlag und schaute weg. Bisher hat er das gesehene nicht verkraftet.

Diese Erzählungen Yossis haben mich sehr nachdenklich gemacht. Aus irgendeinem Grund konnte ich Yossi zumindest ein bisschen verstehen. Er hatte zuschauen müssen, wie seine besten Freunde, mit denen er fast drei Jahre zusammengewohnt hatte, umgebracht wurden. Er hatte versucht die meisten wie Zivilisten zu behandeln, doch nachdem ihm die abartige Vorgehensweise der Araber klargeworden war, sah er keinen anderen Weg seine eigene Haut zu retten, als jeden erst einmal als Terroristen zu betrachten und auch so zu behandeln – ohne Würde.

Ich muss immer wieder schlucken, wenn ich an diese Begegnung denke. Es ist ein Kreislauf, der nicht zu unterbrechen ist. Dadurch, dass sich die Terroristen als Zivilisten verkleiden und wirkliche zivile Wohnhäuser als Schutzschilder benutzen, ist es unglaublich schwierig für die israelische Armee zwischen Zivilisten und Terroristen zu unterscheiden und wirkliche Zivilisten sowie sich selbst zu schützen. Da es durch die Vorgehensweise der Terroristen und der Armee unglaublich viele zivile Opfer gibt, steigt natürlich auch der Hass der friedlichen arabischen Bevölkerung, deren Familien einfach für ein paar Terroristen geopfert wurden. Durch die steigende Radikalisierung, wird dann irgendwann jeder Araber in den Augen einiger Israelis zu einem möglichen Terroristen und jeder (Ex)Soldat zu einem Serienkiller.

Je öfter ich darüber nachdenke, desto weniger kann ich eine mögliche Lösung sehen. Es ist hier ein Kreislauf zwischen Gewalt zum Selbstschutz und Gewalt aus Wut über die Anderen – und selbst bei dieser Beschreibung habe ich bestimmt einen Aspekt vergessen, der hier auch mitspielt…

Nun frage ich mich immer wieder, wenn schon nur ein Aspekt des Konflikts solche Ausmaße annimmt, wie soll dann jemals hier Frieden einkehren…?

Doch gerade dann kommt jemand und sagt: “Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich.” 

 

Herzliche Grüße aus Jerusalem!

Euer Johannes

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